Dienstgeber bieten mit zweiter Runde insgesamt 5,3 Prozent mehr Entgelt an … und Dienstnehmer verweigern Verhandlungen

Für rund 150.000 Mitarbeitende in der Diakonie hätte es ein Erfolg werden können. Denn am letzten Donnerstag legten die Dienstgeber – trotz großer Bedenken – ein nochmals verbessertes Angebot vor: Neben der bereits beschlossenen Entgelterhöhung ab dem 1. August 2016 in Höhe von 2,6 Prozent, sollten 2017 noch einmal 2,7 Prozent hinzukommen. Damit wäre für die Jahre 2016/2017 eine Tarifsteigerung von 5,3 Prozent möglich gewesen – ein Angebot, dass es sonst in der Sozialbranche kaum geben dürfte. Und nicht nur das. Die Dienstgeber hatten bereits im September die umstrittenen Anträge zur Altenhilfe zurückgezogen. Dies alles, um Kompromissbereitschaft zu signalisieren und sowohl den Mitarbeitenden als auch den Einrichtungen Planungssicherheit zu geben. Im Gegenzug wollten die Dienstgeber über die Wiedereinführung einer Eigenbeteiligung der Mitarbeitenden bei der kirchlichen Zusatzversorgung verhandeln, um die zusätzliche Altersversorgung auf eine solidere Basis zu stellen.

Statt dem Erhöhungspaket zuzustimmen, verweigerten die Dienstnehmervertreter erneut die Aufnahme der Verhandlungen. Ob dies im Sinne der Mitarbeitenden gewesen sein dürfte, bleibt sehr fraglich. Das Kopfschütteln über das erneute Fernbleiben ist groß.

Die Kernpunkte des Dienstgeberangebots:

  • eine weitere Entgelterhöhung um 2,7 Prozent, die zwischen dem 1. Mai per Dienstvereinbarung vorgezogen, sonst erneut am 1. August und dem 1. Oktober 2017 Inkraft treten sollte. Bereits am 1. August 2016 wurden die Entgelte mit den Stimmen sowohl der Dienstnehmer als auch der Dienstgeber in der ARK DD um 2,6 Prozent erhöht.
  • eine einfache und transparente Beteiligung der Mitarbeitenden an der kirchlichen Zusatzversorgung: Beiträge über 4,4 Prozent, sollen zukünftig von Dienstnehmern und Dienstgebern jeweils zur Hälfte getragen werden. Die Aufwendungen zur zusätzlichen Altersversorgung belaufen sich bei den meisten Kassen zurzeit 4,8 Prozent.

Außerdem wurde die Bereitschaft zur Übernahme der Einigung des Marburger Bundes (MB) mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zur Entgeltsteigerung für Ärzte unterstrichen.

Zu den Hintergründen

Wenn eine weitere Entgelterhöhung in diesem Ausmaß abgelehnt wird, liegt es nah, nach den Gründen zu fragen. Neben vermuteten Auswirkungen von und zu regionalen Kommissionen und Konkurrenzen zwischen Regionen und Dienstnehmerverbänden geht es vor allem um die folgenden Punkte der Dienstnehmer, zu denen sich die Dienstgeber wie folgt positionieren:

Verbesserungen werden am eigenen Verhandlungstisch erzielt

Die ARK DD ist eine eigenständige Kommission und die AVR DD sind ein eigenständiger Tarif, der eigenständige Arbeitsbedingungen gestaltet. Diese Eigenständigkeit hat einen guten Grund: Die AVR DD werden bundesweit für Dienstverhältnisse in allen Regionen und Arbeitsfeldern angewendet – und in Hinblick auf die spezifischen Anforderungen diakonischer Einrichtungen weiterentwickelt.

Die Tabellenstruktur, die Eingruppierung, die Altersvorsorge und viele weitere Punkte sind auf diese Anforderungen hin im Konsens gestaltet worden und haben sich bewährt. Das betrifft zum Beispiel auch die bessere Vergütung von jungen Fachkräften in einer Lebensphase, in der oft jeder Cent zählt. Der viel zitierte TVöD stellt diese Gruppe oft schlechter. Hinzu kommt: Die Kinderzulage ist beim TVöD bereits vor Jahren entfallen, die Jahressonderzahlung „eingefroren“. Wer also nur den TVöD als Vergleich wählt, muss auch diese Aspekte berücksichtigen – alles andere ist Rosinenpickerei.

Der TVöD hat seit Jahren in vielen großen Bereichen der Wohlfahrtspflege drastisch an Bedeutung verloren, er ist in vielen Regionen nicht mehr der entscheidende Maßstab. Er bildet die spezifischen Anforderungen an soziale Arbeit nicht hinreichend ab. Die öffentlichen Arbeitgeber bzw. Wohlfahrtseinrichtungen haben sich aus der Tarifbindung verabschiedet. Bestes Beispiel dafür: die Altenhilfe. Nach der aktuellen Pflegestatistik des Statistisches Bundesamtes befindet sich nur noch ein Prozent der ambulanten Altenhilfe in kommunaler Trägerschaft, bei der stationären Altenhilfe sind es fünf Prozent. Das hängt damit zusammen, dass der TVöD keine angemessene, insbesondere im Wettbewerb mit privat-gewerblichen, gewinnorientierten Anbietern durchsetzbare Vergütungsstruktur aufweist.

Tarifbindung sichern – Deregulierung verhindern

Die Dienstgeber in der ARK DD stehen für eine hohe Tarifbindung. Bislang weist die Diakonie mit knapp 90 Prozent eine sehr hohe Flächenbindung auf. Diese gerät nun zunehmend in Gefahr. Denn Tarife, die nicht refinanzierbar, bürokratisch und für die Unternehmen nicht tragbar sind, führen über kurz oder lang zum Verlust einer gemeinsamen tariflichen Ebene, wie die AVR sie darstellen.

So haben zum Beispiel die Einrichtungen der AWO bereits 2006 die Bindung an den Bundestarifvertrag aufgegeben. Nur bei den kirchlichen Wohlfahrtverbänden gibt es noch Flächentarife, auf einem im Branchenvergleich hohen Niveau!

Die abnehmende Tarifbindung hat sich bereits in den vergangenen Jahren bei den Kommunen gezeigt: Outsourcing war und ist dort an der Tagesordnung und trifft vor allem Beschäftigte in unteren Lohngruppen. Kommunen übertragen Aufgaben an andere Anbieter, die zu günstigeren Tarifen arbeiten und kaufen Leistungen extern ein. Damit verliert der TVöD in der Fläche und der Breite an Bedeutung. Das Beispiel „Altenhilfe“ wurde genannt, aber es zählen auch Reinigungsdienste, Catering/Küchen, Nahverkehr, Müllentsorgung und viele weitere Arbeitsfelder dazu.

Auch in der Gesamtwirtschaft nimmt die Tarifbindung stetig ab: Nach Angaben des IAB-Betriebspanels betrug sie im 1998 im Westen noch 76 Prozent, im Osten 63 Prozent – heute liegt sie im Westen bei 59 Prozent, im Osten bei 49 Prozent.

Dabei profitieren Mitarbeitende von einer hohen Tarifbindung, denn tarifgebundene Unternehmen zahlen im Schnitt höhere Entgelte und bieten mehr Sonderleistungen an. Das aktuelle Verhalten der Dienstnehmervertreter in der ARK DD stärkt nicht die Tarifbindung, sondern schwächt sie maßgeblich. Die Folge könnten Deregulierung, Rechtsunsicherheit und erhebliche Konflikte sein – und diese sind weder im Interesse der Dienstgeber, noch dürften sie im Interesse der Dienstnehmer sein.

Verhandeln statt Beharren auf Maximalforderungen

Seit Jahren sind die Refinanzierungsprobleme in der Diakonie bekannt. Seit Jahren mahnen die Dienstgeber Änderungen und Flexibilisierungen in den Tarifen an – um die Tarifbindung langfristig zu erhalten. Im Frühjahr 2016 gingen Dienstnehmer- als auch Dienstgeberseite mit Maximalforderungen in die Gespräche. Und während die Dienstgeber nach und nach neue Kompromisse vorschlugen, Anträge zurückzogen und Entgegenkommen signalisierten, bewegten sich die Dienstnehmer – keinen Millimeter weit. Alle Dienstnehmeranträge sind weiterhin Bestandteil der Schlichtung. Als Referenz wird pauschal auf (bestimmte Teile des) TVöD verwiesen. Zum Wesen von Verhandlungen gehört aber Bewegung. Stattdessen wurde nun sogar gefordert einen Tarifabschluss des TVöD 2018 zu übernehmen, den heute noch niemand kennen kann. Das ist unseriös. Wer stur an Maximalforderungen festhält, hat kein ernsthaftes Interesse an Verhandlungserfolgen – und auch nicht an Verbesserungen für Mitarbeitende.

Schlichtung ist kein Selbstzweck

Die Dienstgeber können auf eine Schlichtung verzichten, wenn Lösungen am Verhandlungstisch möglich sind. Dafür müssen die Dienstnehmervertreter aber auch an den Verhandlungen, an den Sitzungen, teilnehmen. Wie soll es denn sonst zu einer Verständigung außerhalb einer Schlichtung kommen? Auf der Agenda für die ARK stehen noch etliche Punkte, um alleine den Rechtsnormen zu entsprechen – das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist nur eines von vielen Beispielen.

Dass das gemeinsame Arbeiten und Überlegen auch in schwierigen Fragen zu gemeinsamen Lösungen führen und damit funktionieren kann, haben die letzten beiden Amtsperioden der ARK DD gezeigt: Denn es waren keine Schlichtungen nötig – einzige Ausnahme war die letzte Schlichtung zu einer Eingruppierungsfrage im Jahr 2012.

Die Kritik seitens der Dienstnehmervertreter am Schlichtungsverfahren ist deshalb unverständlich und auch unberechtigt, weil die Dienstnehmer selbst die geänderte Ordnung verhandelt und ihr zugestimmt haben. Der Schlichter ist vom Präsidenten des Kirchengerichtshofs berufen worden, nachdem beide Seiten sich nicht auf einen gemeinsamen Schlichter verständigen konnten!

Fazit

Als Dienstgeber bleiben wir dem Dritten Weg verpflichtet, nehmen unsere Verantwortung wahr und hoffen auf Verständigung. Wer ist denn da jetzt auf Abwegen? Wir laden herzlich ein, wieder auf den gemeinsamen Weg zu kommen, Interessensunterschiede abzuwägen und eine Lösung zu vereinbaren – im Interesse der Mitarbeitenden, der diakonischen Einrichtungen zur Sicherung unseres Auftrages in der Gesellschaft.